Legende: Lächler

Es waren etwas mehr als 4 Stundengläser nach Sonnenuntergang, als es an der Tür zum Kloster des Allvaters klopfte. Ein Mönch, der gerade erst sein Priesteramt erhalten hatte, öffnete vorsichtig das Guckfenster der Klostertür. „Was wünscht Ihr so spät am...“ sagte der Mönch, als ihm plötzlich bewusst wurde in was für einem Zustand sich der klopfende Fremde befand. Er schloss hastig das Guckfenster der Pforte und öffnete diese geschickt, als der späte Gast schon schwankend auf ihn zu kam und ihm wortwörtlich in die Arme fiel, als er ohnmächtig wurde. Es dauerte zwei Tage und drei Nächte, bis er wieder zu Bewusstsein kam, und noch einen weiteren Tag und eine Nacht bis er wieder so weit bei Kräften war, dass er von alleine Essen und Laufen konnte. Am vierten Tage seiner Ankunft bat er den Mönch, der ihm die Tür öffnete und seitdem gesund pflegte, er möge doch den Klostervorstand bitten, ihm die Beichte abzunehmen. Es dauerte schon den halben Tag, so dass der fremde Gast unruhig in der kleinen Klosterzelle hin- und herlief. Immer wieder bekam er Anfälle, in denen er kopfschüttelnd, mit Tränen in den Augen oder wutverzerrten Gesicht gegen die Wände schlug. Als sich schließlich, gegen die Mittagszeit, die kleine Zimmertür öffnete und der Mönch mit etwas warmen zu Essen, einem Krug Wasser und dem Klostervorstand im Schlepptau eintrat, fiel der fremde Gast vor dem Vorstand auf die Knie und bat ihn inbrünstig, ihm endlich die Beichte abzunehmen. Der Klostervorstand sagte zum Fremden „Nun setzt euch doch erst mal hin und esst das Mittagsmahl, bevor ich Euch die Beichte abnehme“, und bat den Mönch sich wieder seinen täglichen Pflichten zu widmen. Als sich der Gast setzte und mit hastigen Bewegungen das Essen in sich hineinschaufelte, betrachtete der Klostervorstand seinen Gegenüber genauer und erbleichte leicht, als er die Wunden sah und die sich daraus ergebenden schmerzen vorstellte, die dieser Mann erlitten hatte. Seine langjährigen Erfahrungen als Mönch und Klostervorstand in einem Kloster des Allvaters verrieten ihm, dass diese Wunden von der Folter stammten, und das sie schon behandelt wurden, bevor er hier ankam. Als der Fremde mit dem Essen fertig war und einen Schluck Wasser trank, begann der Klostervorstand ihm die Beichte abzunehmen. “Nun mein Sohn, erkläret mir nun warum Ihr so erpicht darauf seid, die Beichte bei mir abzulegen und den Segen des Allvaters zu erhalten“. „Nun Vater, ich bin hier um meine Seele rein zu waschen von der Schuld die ich ihr auferlegte“. „Nun nennt mich doch nicht Vater, ich bin lediglich ein Mönch des Allvaters, ich heiße Bruder Anolf. Aber nun berichte mir mein Sohn, was wünscht du vor dem Allvater zu Beichten“. „Es war vor vielen Sommern, ich schätze mal das es ungefähr 17 sind, als ich mit meiner Gruppe gerade das Lager aufschlug. Es war eine Gruppe aus 15 Halbelfen, mich eingeschlossen, die sich für das Leben in der Wildnis entschieden hatten. Wir waren wie gehetzte Tiere, ständig auf der Hut vor den Menschen und Elfen. Es war ein einfaches und schwieriges Leben, aber wir waren frei, frei von der Schmach die uns unsere Erzeuger auferlegten. Auch waren wir frei von Hass, Hass auf die Eltern die sie uns nie waren. Wir lebten von den Früchten des Waldes und unserer täglichen Arbeit. An diesem Tag, ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, da ich an diesem Tag den ersten Elfen tötete, fand ich Crow. Er war noch sehr jung, erst 9 Jahre alt. Ich war gerade im Wald beim Jagen. Ich pirschte mich an einen Prachtvollen Hirsch heran, als dieser in wilder Panik davon preschte. Wenige Augenblicke später wusste ich auch warum, den ich hörte das knacken von Ästen und das Rascheln des Buschwerkes, als sich jemand wie wild einen Weg durch den Wald bahnte. Ich blieb wie angewurzelt stehen und sah zu, wie ein kleines Kind von einem Elfen gejagt wurde. Das Kind fiel, der Elf holte es ein. Er stellte sich breitbeinig vor dem Kind auf, blickte es ausdruckslos an und hob sein Schwert, um es wie mir schien, zu töten. Als ich erkannte, dass es sich bei dem Kind um einen Mischling handelte, löste ich mich endlich aus meiner Erstarrung, hob den Bogen, zielte, und schoss. Der Elf spürte wohl die Gefahr, den kurz bevor ihn der Pfeil traf schaute er auf, nur um einen Augenblick später tot zusammenzubrechen. Ich kann wohl sagen das es der beste Schuss meines Lebens war, und mein verhängnisvollster. Ich lief hinüber zu dem Kind und dem toten Elf, packte das Kind und lief so schnell wie ich konnte ins Lager zurück. Im Lager angekommen brüllte ich Befehle zum sofortigen Abbau des Lagers. Wir flohen in wilder Hast, die ganze Nacht, den darauf folgenden Tag und die nächste Nacht, bis wir endlich im Morgengrauen, völlig erschöpft und dem Zusammenbruch nahe, unser Lager aufschlugen. Die Moral war schlecht, da jetzt zu unseren sonstigen Problemen auch noch ein rachdurstiger Elf mitsamt seiner Sippe zählt, die Jagd auf uns machte. Wir flohen immer weiter, bis wir sicher waren, dass der Elf seine Rachegedanken aufgegeben hat, und wieder in sein bisheriges Leben zurückkehrt. Der Junge, den wir gerettet hatten war ein Halbblut wie wir auch. Er trug auch schon die Tätowierungen, die seine Mutter vor Schutz gegen den Wahnsinn in seine Haut ritzte. Warum ihn dieser Elf töten wollte weiß ich bis heute nicht. Der Junge war am Anfang sehr verschlossen und ängstlich. Erst im Laufe der Jahre gewann er Vertrauen zu uns und lernte was Freundschaft und Treue bedeutet. Wir lebten unser Leben wie bisher weiter, die Tage vergingen, die Guten wie die Schlechten. Als Crow 13 Jahre alt wurde bemerkte ich die Kraft, die in ihm schlummerte, es war die Kraft des Geistes, die Eigenschaft die es ihm möglich machte, die Fähigkeiten eines Warlock zu lernen, so wie ich einer bin. Er war ein gewöhnlicher Junge, der nichts besonders gut konnte, weder Jagen, Fischen oder Spurensuchen noch sonst etwas vernünftig hinbekam außer vielleicht Feuerholz zu holen oder zu Kochen. Deswegen ist er mir auch nicht sonderlich aufgefallen, bis auf jenen Tag an dem er geboren wurde. Es war noch sehr früh am Morgen als er aufschrie und wie wild im Lager herumrannte. Die Wachen fingen ihn und hielten ihn fest bis ich schlaftrunken aus meinem Zelt kroch. Er zappelte noch eine Weile herum, schrie und hatte Schaum vor dem Mund. Irgendwann schlief er dann erschöpft ein. Das war der Zeitpunkt, wo ich es merkte, die Kraft seines Geistes die in ihm erwachte, langsam aber stetig bahnte sie sich einen Weg in seinen Körper. Ab diesem Tag nahm ich ihn zu meinem Schüler. Er lernte nicht schnell und auch war seine Kraft nicht besonders groß, aber er war fleißig. Er war der fröhlichste Halbelf, den ich je kannte, ja ich vermute sogar, er war das fröhlichste Geschöpf unter des Allvaters weitem Himmel. Egal wann auch immer mein Blick auf ihn fiel, zierte sein Gesicht ein Lächeln, so dass wir ihn bald „Crow der Lächelnde“ nannten. Er arbeitete jeden Tag die Aufgaben die er hatte bevor er mein Schüler wurde, genauso wie das Trainieren seiner neuen Fähigkeiten. Ich vermute, dass seine Fröhlichkeit etwas mit diesem Tag zu tun hatte, an dem ihn die Hand des Allvaters streifte und seinen Geist bewahrte, als seine Kraft in ihm erwachte. Ich war nicht besonders stolz auf Ihn, ich sah es eher als nutzbringende Investition in die Sicherheit meiner Gruppe. Schließlich gibt es nicht viele wie mich und die Kräfte eines Warlock, wenn er es denn jemals zu einem schaffen sollte, würden uns gute Dienste erweisen. Dachte ich zumindest damals was sich ...“ in diesem Moment klopfte es an der Tür des kleinen Raumes in dem kleinen Kloster des Allvaters, in dem sich Bruder Anolf die Beichte des Fremden anhörte und ein Mönch trat mit dem Abendessen ein. Der Mönch stellte das Essen für die beiden Männer auf den Tisch, zündete die Kerzen des Zimmers an, schloss die Fensterläden und verließ wieder den Raum. „Verzeiht die Störung durch Bruder Eritus, aber jetzt esst erst mal und wir reden nach dem Essen weiter“. Während des Essens machte sich Bruder Anolf seine Gedanken zu dieser Geschichte und überlegte, was wohl das zu beichtende Übel dieses Mannes war. Als der Gast mit dem Essen fertig war fuhr er fort mit seiner Beichte. „Wo war ich? Ach ja. Wir zogen also von Ort zu Ort. Eines Tages war es, da fanden wir im Wald einen halbtoten Menschen. Ich hätte ihn da liegen lassen, aber Crow wollte ihn unbedingt mitnehmen und verpflegen. Ich erlaubte es Ihm. Ich hätte das nicht tun sollen, aber ich hab es getan, warum weiß ich heute noch nicht. Er pflegte den Mann, versorgte seine Wunden, nähte seine Kleidung und kümmerte sich auch um alles andere. Der Mann erholte sich ziemlich langsam von seinen schweren Wunden. Als er wieder einigermaßen vernünftig stehen konnte, lehrte er meinen Schüler seltsame Rituale und Gebräuche, nach einer Weile fing er an ihm Fechtunterricht in einer lächerlichen Waffe zu geben, die ich niemals zuvor gesehen habe. Ich glaub es war ein Schwert, das sehr leicht und so dünn wie ein Ast eines Ingratstrauchs war. Als der Mensch sich fast vollständig erholt hatte, bat ich Ihn in mein Zelt und fragte wer Ihn so zugerichtet hatte und wieso. Die Antwort gefiel mir nicht und ich verlangte von ihm uns sofort zu verlassen. Er gehorchte mir auch, doch verhielt sich Crow völlig verrückt und sagte, dass wir ihn nicht zurück lassen dürften, da er sonst getötet würde. Das war das erste mal, dass er mir nicht gehorchte und das letzte mal, dass ich Ihn sah. Er verlies das Lager mit dem Fremden ohne sich zu verabschieden. Das war auch das erste mal, dass ich bemerkte wie sehr ich Ihn mochte. Wir zogen weiter, nach zwei Tagen überraschte uns eine Gruppe von Männern unterschiedlicher Herkunft und fragte nach dem fremden Mann, den wir gepflegt hatten. Ich sagte das ich von nichts wisse, das war mein erste Fehler. Sie überwältigten uns, dann...“ Der Mann unterbrach seine Erzählung, zuckte kurz zusammen und schloss seine Augen. Bruder Anolf fragte: „Werter Herr, ist alles in Ordnung, geht es euch gut“, der Gast öffnete seine jetzt wässrigen Augen und erzählte weiter „Dann haben Sie mich gefoltert und immer wieder die gleiche Frage gestellt „Wo ist Ikkeberg“, „Wo ist Ikkeberg“, ich sagte nichts bis die Schmerzen mich überwältigten . Dann erzählte ich Ihnen alles. Alles. Das war mein zweiter Fehler. Nachdem die Männer verschwunden waren, und wir alles verstaut hatten, hatte ich Angst sie würden zurückkommen wenn sie ihn nicht finden, und da wollte ich nicht mehr hier sein. Nach etwa zwei Stunden Marsch befahl ich meinen Leuten weiter zu ziehen, während ich umkehrte um den Männern zu folgen. Ich hatte keine andere Wahl, da mich mein Gewissen plagte. Als ich unseren alten Lagerplatz fand folgte ich der Spur der Männer. Als ich ankam wurde es schon dunkel, sie hatten die beiden gefunden. Der Fremde war tot, auch lagen drei tote Verfolger am Kampfplatz. Mein ehemaliger Schützling war nicht darunter, was mich zwar erfreute aber noch nicht beruhigte. Was ich fand war die Spur eines Mannes, der von vielen anderen verfolgt wurde. Ich verfolgte die Spur noch so lange bis es Nacht wurde, dann kehrte ich um. Nach zwei Tagen holte ich meine Gruppe wieder ein. Oder was noch davon übrig war. Anscheinend sind die Männer zurückgekehrt um sich an meinen Leuten zu rächen. Auch waren noch nicht alle fort, einer wartete in einem Hinterhalt. Ob er auf mich wartete oder meinen Schützling, das weis ich nicht. Ich weis nur, dass mich die vergiftete Klinge traf und es schwarz wurde um mich. Das nächste was ich weis ist, dass ich in diesem Kloster erwachte. Bitte Bruder Anolf erteilt mir die Absolution, damit meine Seele Ruhe findet.“ Bruder Anolf erteilte ihm die Absolution und verlies nachdenklich die Kammer des Fremden. Am nächsten Tag besuchte Bruder Anolf den Gast um ihm ein paar Fragen zu seiner Geschichte zu stellen, fand aber nur noch eine leere Bettstadt vor. Er wunderte sich noch über den seltsamen Gast, die seltsame Beichte und dessen Verschwinden. Er schrieb die Geschichte nieder, so wie er jede Geschichte aufschrieb um sein Wissen für die Nachwelt zu erhalten. Und vergaß den Vorfall.