Legende: Gavin Darklighter

1. Richtung Friayport

Es war kalt an diesem Morgen. Erst langsam verwandelte die Morgensonne den nächtlichen Frost in Tau. Gavin trat gerade die letzten Reste seinen Feuers aus und packte seinen Reisebeutel zusammen, als Pjotr zu ihm schlenderte und sagte: "Bist du fertig Gavin? Wir wollen noch bevor die Sonne ganz über dem Berg gekommen ist weiter ziehen. Die Händler sind sehr unruhig, solange wir in der Nähe einer Ruine der alten Rasse sind." Gavin blickte in die von Ruß geschwärzte Ebene hinab und sagte: "Ich kann es ihnen nicht verdenken. Die Ebene ist wirklich düster und trist. Ich möchte nicht wissen was hier geschah. Alles um die Stadt ist eine Ebene voll Asche. Weißt du, was dort geschah, Pjotr?" Pjotr schaute ebenfalls hinab in die Ebene und schwieg. Erst nach einem Augenblick antwortete er: "Niemand weiß genau was dort geschah. Aber man sagt, das alte Volk sei zu hochmütig geworden und ihr Stolz habe sie selbst vernichtet. Nur ihre Diener, die Stahlkolosse haben überlebt und schützen die verfallenden Städte vor Plünderern. Dennoch besagen einige Geschichten, dass manche der Alten noch leben. Nur weiß keiner ob all das stimmt.... Aber nun pack deine Sachen, sonst laufen die Händler noch ohne uns weiter. Pjotr ging zurück zu den Händlern. Ihr Anführer saß auf einem Baumstumpf und wedelte wild mit den Armen um Pjotr endlich zum Aufbruch zu überreden. Gavin packte die letzten Reste des Hasenbratens von gestern in seinen kleinen Beutel und eilte zu den Anderen.

Nach wenigen Minuten waren sie aufgebrochen und stiegen von den Hügeln in die schwarze Ebene hinab. Gavin dachte während der Wanderung durch die düstere Ebene nochmals über die letzten Geschehnisse nach. In Makave hatte er sich der Handelskarawane angeschlossen. Ein Glücksfall, der ihm mehr Schutz vor Räubern und dem bösartigen Getier der Gegend bot. Makave war ein kleiner Handelsposten am Südrand des Grauzahn Gebirges. Vor einigen Jahren war das kleine Dorf vom Grafen von Graustein errichtet worden. Er und seine Getreuen wollten sich ein eigenes Domizil schaffen, nachdem der Großherzog von Friayport ihm seinen Titel verliehen hatte. Der Graf war Anführer einer Gilde, dessen Einfluss ihm nun sogar den Adelstitel eingebracht hatte. Makave war ein kleiner Ort, aber durch seine günstige Lage auf dem Weg zwischen Kaz'Adum, der Hauptstadt des Zwergenreiches und Friayport, wuchs der Ort schnell. Schon nach den wenige Jahren, hatte der Graf es sich leisten können, einen dicken Palisadenzaun zu errichten. Dadurch hatten schon zwei Orküberfälle abgewehrt werden können, wie man Gavin berichtet hatte. Am Rande des Marktplatzes des Ortes hatte Gavin dann auch Pjotr getroffen. Man war bei einem Handel um einen Gürtel ins Gespräch gekommen. Nach einer durchzechten Nacht im "Brüllenden Ork" bot Pjotr dann Gavin die Mitreise an. Gavin war als zusätzlicher Schutz natürlich willkommen, denn er konnte mit seinem Langschwert recht gut umgehen. So kam es also, dass Gavin mit den Händlern durch die Ebene zogen, Richtung Friayport.

Die Ebene war trocken und staubig. Langsam stapfte die Gruppe durch die Steinwüste. Zur ihrer rechten erhob sich in der Ferne die Stadt der alten Rasse. In keiner Überlieferung wurde der richtige Name der Rasse genannt und so hatte sich der Begriff „Die alte Rasse“ gebildet. Nur selten wagten es die Händler in die Richtung der Stadt zu blicken. Nur Pjotr und Gavin beobachteten die Stadt genauer. Sie waren der Gefahr schutzlos ausgeliefert, sollte sich ein Trupp der Stahlkolosse nähern. Gigantisch wirkte die Stadt. Selbst aus der meilenweiten Entfernung erhoben sich die schwarzen und grauen Türme hoch in den Himmel. Als ob sie sich den Göttern entgegen reckten. Vielleicht war dies ihr Fehler, dachte Gavin. Womöglich hielten sie sich für Götter und wurden dafür bestraft. Ehrfürchtig dachte er an die Strafen, welche die Götter öfters über Städte brachten. Zur Strafe schickten sie Krankheiten, Stürme oder Orkhorden. Als er Pjotr seine Vermutung mitteilte, lachte dieser nur. Pjotr glaubte nicht an eine absolute Macht, welche die Götter beanspruchten. Er hatte lange bei einem Magier gelebt und dieser behauptete, die Götter wären nicht die einzige Macht. Der Magier hatte immer von zwei Parteien in den göttlichen Ebenen gesprochen. Die Götter und eine weitaus ältere Macht. Genauer konnte aber selbst der alte Magier es nicht benennen.

Gavin aber lies seiner Fantasie freien lauf. Schon mahlte er sich aus, welch grausame Schlachten zwischen Göttern und den "Alten" geschlagen worden waren. Vielleicht war die alte Rasse ausgelöscht worden, grübelte er weiter. Noch in seinen Gedanken gefangen, wurde er von Pjotr angestoßen. "Werde nicht unaufmerksam! Ich weiß die Landschaft lädt geradezu ein, ein wenig in sich zu gehen, aber das war der Tod vieler großer Männer." wies Pjotr ihn zurecht. "Ja, in Ordnung...." antworten Gavin um dann seine Augen zusammenkneifen und in Richtung Stadt starrte. "Schau Pjotr, da läuft jemand!" machte Gavin seinen Freund aufmerksam. Pjotr schaute ebenfalls genauer hin und entdeckte die Person. Pjotr hob die Hand und die Karawane kam zum stehen. Schon wand sich die Aufmerksamkeit der Händler ganz der Person zu, die sich näherte. Einige Zwerge in der Händlertruppe begannen bereits zu fluchen und ihre Ahnen anzurufen, ihnen im Kampf gegen eine Gefahr, so nahe bei einer dieser Ruinen beizustehen. Pjotr befahl allen sich so gut wie möglich hinter einigen Steinen zu verbergen. Die Steine waren Reste der Stadt die bis hierher geschleudert wurden. Ein weiteres Rätsel dieser Ebene, das keiner zu lösen vermochte. Die einzige Deckung in zwei Meilen Umkreis verdankte man der Stadt vor der man sich verbergen suchte. Was für die Zwerge kaum ein Problem darstellte, machte den Lasttieren doch etwas Mühe. Doch nach einigen Minuten waren alle hinter den grauen Steinblöcken verborgen und der Läufer war immer noch weit genug entfernt, um sie vielleicht nicht gesehen zu haben. Pjotr und Gavin bezogen hinter den ersten Steintrümmern Stellung, zusammen mit zwei Zwerge, die ihre Waren auch selbst verteidigen wollten. So standen die zwei Schwerte von Gavin und Pjotr und die Axt und der Hammer der Zwerge gegen eine Person die offensichtlich planlos rannte. Einfach weg von der Stadt. "Wir werden ihn empfangen. Ich denke es wird nur ein Abenteurer sein, der aus der Stadt flieht, aber nichts ist so wie es scheint, hier in der Ebene," sprach Pjotr zu allen und zog sein Langschwert um sich dann hinter dem Stein zu ducken.

Seyan lief und lief. Er hatte gar nicht bemerkt, das die Stahlkolosse, nach dem er weiter gerannt war, die Waffen gehoben hatten. Sie hatten nochmals zwei Schüsse abgefeuert. Einer der Beiden hatte eine Art Armbrust, aber sie war nicht geladen. Es schien als ob eine magische Energie verschossen würde. Der andere besaß keine Waffe außer seiner Lanze und dennoch neigte er leicht den Kopf und ein Lichtball raste auf Syan zu. Er warf sich zu Boden und um ihn spritzen Steine und Staub auf. Aber sie hatten ihn verfehlt und als ob die Stadt ihre Grenze wäre, verfolgten sie ihn nicht. So kroch er im Staub weiter. Später begann er zu laufen und da übermannte ihn endgültig die Panik. Er rannte und rannte. Seine Gedanken schienen wirr umher zu irren zwischen den Orks, die wohl gerade die Dörfer seiner Region angriffen, seinen Freunden, die gefallen waren, in der Hölle dieser Stadt. Nur am Rande nahm er am Horizont ein paar Schatten war. Es war ihm eh alles gleich und er rannte weiter durch den Staub. Steinchen spritzen hinter ihm auf und eine kleine Wolke aus Sand und Staub markierte seinen Fluchtweg. Erst als er die Anhäufung von Steintrümmern vor sich aufragen sah, begann er langsamer zu werden. Er wurde sich seiner selbst wieder bewusst und erkannte das er immer noch die seltsame Waffe in den Händen hielt, die er in einem der Häuser gefunden hatte. Sein Atem ging rasselnd und er blieb stehen. Nur ein rascheln deutete den Angriff an, doch bevor er sich auch nur zur Seite drehen konnte, standen schon vier Männer vor ihm. Zwei Menschen und zwei Zwerge. "Halt Fremder!" rief der ältere Mensch zu ihm. Sein Langschwert glänzte im Sonnenlicht des Nachmittags und sein vernarbtes Gesicht zeugte von vielen Kämpfen. Nun war es wohl endgültig aus, dachte Seyan und warf resigniert seinen Dolch und die arkane Waffe in den Staub.

"Wer seid ihr?" Gavin blickte den Fremden misstrauisch an. Er befand sich in einem erbärmlichen Zustand. Seine Kleider war zerrissen und blutverschmiert. Er schwitzte und war sehr blas. Gavin erkannte, dass dieser Mann nicht in der Lage war sich gegen ihre Gruppe zu wenden und er lockerte den Schwertgriff ein wenig. "Ist das jetzt noch wichtig?" fragte der Fremde mühsam. Gavin befürchtete, das er zusammenbrechen könnte. "Kommt Ihr aus der Stadt?“ fragte Gavin misstrauisch. Mit diesem Fremden war irgendetwas nicht in Ordnung. "Ja, ich war dort. Aber ich war nicht allein. Mit mir waren hundert der besten Kämpfer unserer drei Dörfer.“ Er stockte kurz. „Sie sind alle Tod. Von den Maschinenmenschen dahingemetzelt" "Ich frage mich gerade ob ich richtig verstanden habe. Du behauptest ihr habt mit hundert Männern versucht die Stahlmenschen anzugreifen?" Pjotr musterte den Fremden. Er nickte schwach. "Es waren kaum über Zehn Maschinenmenschen. Wir wollten ihre Waffen. Wir sind beauftragt worden sie zu beschaffen, damit wir eine Chance gegen die orkische Welle haben". "Ihr wolltet ihre Waffen erbeuten? Das ist ja glatter Selbstmord!“ sagte Pjotr leise. Die Zweifel von Gavin waren inzwischen verschwunden und Fassungslosigkeit über solchen Wahnsinn machte sich in ihm breit. Die Macht der Stahlmenschen war allgemein bekannt und Gavin befürchtete, dass sie ihre Neutralität nun aufgeben würden um sich gegen ihre Angreifer zu wenden. Die Stahlmenschen und Orks als Feind bedeutete das unausweichliche Ende jeglicher Zivilisation hier in den nördlichen Regionen des Kontinents. Pjotr runzelte die Stirn, dann steckte er sein Schwert weg. „Ich traue dem Fremden zwar nicht ganz, aber wenn hier ein Kampf stattgefunden hat, müssen wir schnell weiter. Die Aasfresser haben Blut gerochen und werden nicht mehr lange auf sich warten lassen. Außerdem sollte der Herzog von Friayport davon erfahren.“ "Glaubst du, die Maschinenmenschen werden also auch in anderen Städten angegriffen?" fragte Gavin. Der Fremde bejahte. "Seit ihr denn verrückt?, wollt ihr jetzt an zwei Fronten mit zwei übermächtigen Gegnern kämpfen?". "Sieh dir diese Waffe an", der Fremde deutete auf die arkane Waffe. "Wenn nur ein Zehntel der Menschen eine solche besitzt, gibt es keine Orks mehr. Leider weiß ich nicht einmal wie sie zu bedienen ist". Gavin nahm die Waffe auf und wog sie nachdenklich in den Händen. Er hatte etwas ähnliches niemals zuvor gesehen, von Menschenhand war sie keinesfalls gemacht, dessen war er sich sicher. Pjotr wurde immer unruhiger. "Wir haben keine Zeit, die Aasfresser werden kommen.“ Gavin wollte gerade etwas erwidern, als ein lauter Schrei ertönte. Eine große Gruppe seltsamer Kreaturen kam geradewegs auf sie zu. Die Wesen waren offensichtlich beim Weg zum Kampfplatz auf die Gruppe gestoßen. Gavin zog sogleich wieder sein Schwert an sich und ging in eine Abwehrhaltung. Pjotr drehte sich zu dem Fremden um. „Jetzt möchte ich aber doch Euren Namen erfahren, ich glaube das wäre praktischer als Euch im Kampf Fremder zu rufen.“ Der Fremde lächelte. „Nennt mich Seyan.“ Pjotr warf Seyan eine Waffe von einem der Lasttiere zu und versuchte dann die Gefahr einzuschätzen, die auf sie zuhielt. Die beiden Zwerge wurden von blinder Wut erfasst als sie erkannten, was Pjotr als Aasfresser bezeichnet hatte. Kleine grüne Goblins kamen auf sie zu. Diese Wesen waren seit Jahrhunderten die erklärten Feinde der Zwerge und es hatte viele Schlachten zwischen den beiden Rassen gegeben. Schon teilten sie sich auf um von zwei Seiten anzugreifen. Ihre Masse schien einer der wenigen Vorteile den sie bei diesem Angriff besitzen würden. Die beiden Zwerge stellten sie so Rücken an Rücken, um den beidseitigen Angriff offen entgegen zu sehen und riefen nochmals ihre Ahnen an. Staub wirbelte auf als sich die Horde näherte, die Kampfschreie wurden lauter und gellender. "Ausgeburten des Bösen sind aus ihren Löchern gekrochen. Bei meinen Ahnen werde ich aus ihren Schädeln trinken!" rief einer der Zwerge und spuckte aus. "So wahr ich Ulf Schmetterstein heiße mein Freund, ich werde es dir gleichtun" rief der Andere und hob seinen Hammer. Die Händler hatten sich auf den größten Felsen geflüchtet und griffen zu ihren Wanderstöcken um sich zu verteidigen. Gavin, Seyan und Pjotr dagegen stellten sich zwischen Fels und den Zwergen auf, damit diese nicht ganz ohne Hilfe auskommen mussten. Denn selbst wenn sie doch voll Kampfeswut strotzen wussten die anderen, dass sie übermannt würden, von den Massen der Goblins. Schwach und klein erschienen sie, die Grünlinge, aber bewaffnet mit Speeren und Steinäxten waren sie doch eine Gefahr, vor allem in größerer Zahl.

Als die beiden Parteien aufeinander prallten, wurden die Zwerge tatsächlich schwer bedrängt. Dennoch hielten sie die Stellung und beherzt schwangen sie, mit Anrufungen an ihre Ahnen, ihre Waffen. Blut und Gewebe der Goblins besudelte den Sand, als der erste harte Hammerschwung von Ulf, drei Grüne zerschmetterte und sie mit kläglichen Grunzen zu Boden gehen lies. Die Axt war nicht minder Erfolgreich als sie in einem Schwung zwei der Angreifer zu vieren machte und eben diese zu Boden gingen. Gavin sah zum ersten Mal solche Kreaturen. Klein und sehnig wirkten sie und ihre Augen waren rot, schienen gar zu leuchten wenn man sie in den Schatten eintauchen sah, den der Felsen warf. Dennoch staunte er nur kurz. Seine Unaufmerksamkeit wurde nämlich sogleich bestraft, als ihm ein Goblin eine kleine Wunde beibrachte. Schnell war dieser kleine Geselle vorgeprescht und hatte Gavin mit seinem Speer am Schenkel eine kleine Schnittwunde beigebracht. Gavin bedachte sich eines besseren und hieb mit seinem Schwert den Goblin den Arm ab. Mit einem gellendem Geschrei zog sich der Goblin zurück, nur um beim Auftreffen auf die Frontlinie der Goblins von seinen Kameraden niedergestochen zu werden. Offensichtlich war ein Verwundeter nichts wert in ihrer Gesellschaft. Der Kampf wog hin und her, doch vor allem die Grünlinge mussten Verluste einstecken. Doch auch die Karawane hatte ihre Verluste hinnehmen müssen. So versuchten ein paar Händler ihre Lasttiere zu beruhigen bei all dem Kampfgetümmel, welches sich nun auch um Pjotr und Seyan ausbreitete. Dies erkannten einige der Grünlinge und umgingen den Kampf mit den Krieger, die sich wahrlich gut schlugen und griffen die Händler an. Unter den Speerstößen starben zwei der Händler, jedoch die restlichen Händler rächten sich und sie schlugen sich gut. Allein mit ihren Wanderstöcken machten sie die Gruppe Grünlinge nieder. Ob nun aus Angst um ihre Waren und Lasttiere oder aus Rache für ihre Kollegen, nur ein Einziger vermochte zu fliehen. Dieser schloss sich wieder der Hauptgruppe an, welche die Zwerge umlagerten. Inzwischen versuchten sie die Deckung der Zwerge zu durchbrechen, was oftmals in abgetrennten Gliedmaßen endete. Der Staub färbte sich im Blut der Goblins, während die Zwerge zum Häuptling der Angreifer vorstießen. Schnell waren die Leibwächter des Häuptlings mit kräftigen Hieben der Zwergen niedergemacht und der Anführer der Goblins forderte die Zwerge heraus. Unter Axt und Hammer fielen weiter Goblins, denn ein guter Häuptling schickte erst all seine Krieger, bevor die Herausforderung auf ihn überging. Grunzend bahnten sich die Zwerge ihren Weg durch die Grünlinge. Axt und Hammer schwangen in einem Duett des Todes umher und hieben in die Menge. Gliedmaße trennten sich von den Körpern und Blut spritzte in den Sand. Doch dann hieb der Häuptling auf den Zwerg ein, der zu seiner linken gekommen war. Benommen von diesem unerwartet harten Schlag, wurde er von den kleineren Goblins übermannt und von ihren Speeren aufgespießt. Der Kampf entwickelte sich immer mehr zu einem Schlachtfest zwischen Zwerg und Goblins. Durch den Tod seines Freundes war Ulf rasend geworden und hieb um sich. Seyan, Pjotr und Gavin dagegen, streckten nur noch vereinzelt Grünlinge nieder. Bis zu ihnen kamen sie seltenst. Doch um Ulf warfen sich Berge von Leichen auf. Es schien schon als stünde er im Blut seiner Feinde als er dem Letzten, ihrem Häuptling den Kopf abhieb und seinen abgetrennten Schädel in die Luft hob. "Für dich mein treuer Freund, mögest du an der Ahnentafel speisen und diesen Kopf als den deinigen Sieg betrachten." rief Ulf.

Mit einem Ärmel wischte Gavin sich Blut aus dem Gesicht und überblickte das Schlachtfeld. Sie hatten sich tapfer geschlagen, aber dennoch hatten sie Verluste hinnehmen müssen. Der tote Zwerg lag begraben unter einem Haufen ebenfalls erschlagener Goblins. Der andere Zwerg räumte die Leichen gerade zur Seite um zu seinem Freund zu gelangen. Leise besang er dabei ein Trauerlied an die zwergischen Ahnen. Pjotr war bereits zu den Händlern geeilt und organisierte den Abmarsch. Noch einer solche Horde von Goblins wollte man nicht begegnen. Gavin lehnte sich an einen Felsen und untersuchte die kleine Wunde an seinem Bein. Sie schien nicht tief und blutete inzwischen kaum noch. Aber wenn die Speerspitze vergiftet gewesen war, würde er ein Problem bekommen. Hier in dieser Einöde würde er keine Chance haben mit so einer Vergiftung. Nach einer halben Stunde hatten die Händler die Waren ihrer Gefallenen Händler verteilt. Das war eine gängige Methode nach solchen Überfällen. Etwaige Hinterbliebene würden einen Anteil am Erlös der Waren bekommen, das war eine Regel unter den Händlern.

Gegen Abend hatten sie die Ebene durchquert und stießen wieder auf grüne Hügel. Zuerst waren es nur dorniger Bewuchs, aber schon bald waren sie wieder im sattem Grün normaler Wiesen. Pjotr führte die Karawane trotz der einbrechenden Nacht weiter über einen schmalen Pfad durch Wälder und Unterholz. Er wollte noch einen Rastplatz am Ende des Waldes erreichen. Gavin hatte er erzählt, man sollte in diesen Wäldern nicht rasten. Schon öfters seien Karawanen in den Wäldern von seltsamen Wesen angegriffen worden. Es gab sogar Geschichten über lebende Bäume die ganze Karawanen verschlangen. Pjotr selbst hatte solche Wesen bisher nicht gesehen, aber er sagte selbst, scharf wäre er auf solch eine Begegnung nicht. Als sich die ersten Sterne zeigten und der erste, der zwei Monde ihren Weg erhellte, traten sie aus dem Wald heraus. Pjotr atmete sichtlich auf und deutete auf eine kleine Senke. „Dort unten rasten wir.“ Die Karawane beschleunigte freudig und hielt auf die Senke zu. Als sie in die kleine Senke hinabstiegen ging der zweite Mond auf. Es war Vollmond und so tauchte er alles in helles, bläuliches Licht. Die Senke war von Barrikaden geschützt und ein flacher Holzausguck erhob sich in der Mitte der Senke. Pjotr schritt voran und betrat den Rastplatz. Gavin ging neben ihn. „Ist hier niemand?“ fragte Gavin. Pjotr schüttelte den Kopf. „Nein, es kommt nur selten vor, dass sich zwei Karawanen am Rastplatz treffen. Meist begegnet man sich in der Ebene. Ich denke wir werden morgen eine Karawane treffen. Lange Abstände zwischen den Karawanen gibt es eigentlich nie. Aber keine Sorge mein junger Freund, böse Kreaturen wagen sich hier nicht her. Auch wenn niemand den Rastplatz bewacht. Vermutlich hat man diesen Ort mit einem dauerhaften Schutzzauber belegt.“ Er wies auf eine Gruppe provisorische Hütten. „Da übernachten wir.“ Er wand sich zu den Händlern um. „Tränkt die Lasttiere, das ist die letzte Wasserstelle vor Friayport. Wenn wir morgen vor Sonnenaufgang weiterziehen, können wir in der Nacht Friayport erreichen.“ Die Händler taten was man ihnen gesagt hatte und führten ihre großen sechsbeinigen Lasttiere zum Wasser. Die Tiere hießen Knogs und waren enorm robust. Sie hatten lange flache Schnauzen und hatten ein zotteliges braunes Fell. Sie benötigten nur alle paar Tage Wasser und dankt ihrer sechs Beine kamen sie auch im schwierigen Gelände voran. Die Waren blieben auch bei Nacht auf den Tieren festgebunden um eine schnelle Flucht zu ermöglichen. Den Knogs schien das wenig auszumachen. Ihre breiten flachen Rücken schienen wie geschaffen für solche Aufgaben.

Seyan und Gavin suchten derweil im Schutz der Barrikaden nach Brennholz. Neben einer der Hütten wurden sie fündig. Einige Stapel Holz waren dort aufgeschichtet. Darüber hing ein Schild, auf dem in menschlicher und zwergischer Sprache zu lesen war. „Bitte vor Abreise wieder auffüllen, wir haben alle unseren Nutzen davon!“ Sie griffen sich einen Stapel Holzscheite und gingen zum zentralen Lagerplatz. Dort schichteten sie das Holz auf. Eine kleine, von Steinen eingerahmte Feuerstelle bildete die Mitte des Lagerplatzes. Seyan blickte auf das aufgeschichtete Holz. „Und wie machen wir jetzt Feuer?“ Gavin grinste und ging zu Pjotr hinüber. Dieser gab ihm ein kleine Phiole aus Glas. „Hiermit,“ sagte er und hob die kleine Flasche hoch. Sie glühte innerlich und beleuchtete den Feuerplatz. Seyan runzelte die Stirn. „Was ist denn das?“ „Das ist eine verzauberte Flasche. Ein Magier hat darin ein kleines Feuerelementar gefangen. Wir können die Flasche öffnen und eine Feuerzunge schießt heraus,“ erklärte Gavin. Seyan blickte misstrauisch auf die Flasche. „Und diese Elementar kann nicht entkommen?“ fragte er. Gavin schüttelte den Kopf. „Nein, hier schau dir diese Verzierungen auf der Flasche an. Auch wenn die Flasche offen ist, kann das Elementar nur eine kleine Feuerzunge nach draußen schicken. Die Verzierung verhindert aber das Entweichen. Es ist wohl eine Art Bannformel.“ Seyan beobachtete wie Gavin vorsichtig den Deckel öffnete und den Flaschenhals auf das Holz richtete. Kaum hatte er den Deckel herausgezogen, da schoss eine kleine Stichflamme heraus und das Holz begann sofort lichterloh zu brennen. „Autsch,“ sagte Gavin und grinste, „Man verbrennt sich leicht die Finger wenn man den Deckel wieder schließt.“ Seyan zog eine Augenbraue hoch. „Ich traue diesem magischen Kram nicht.“ Gavin lächelte. „Und doch hast du dein Leben riskiert um eine magische Waffe der Maschinenmenschen zu erbeuten.“ Intuitiv griff Seyan an seinen Beutel am Gürtel und befühlte die Waffe darin. „Das ist wahr...“, sagte er leise und schien in Gedanken zu versinken.

Nach und nach versammelten sich immer mehr Mitreisende um die Wärme des Feuers zu genießen. Auch Pjotr stieß nach einiger Zeit zu ihnen und briet sich zusammen mit Gavin die Reste des Hasenbratens vom Vorabend. Seyan erhielt von einigen Händlern auch ein wenig Brot und Braten. Es war die Zeit für Geschichten über vergangene Reisen. Das Lagerfeuer prasselte laut und beleuchtete die Umgebung in einem seltsamen Schattenspiel. Einer der Händler begann mit einer Geschichte über eine seiner Reisen in den hohen Norden des Zwergenreiches. „Wisst Ihr, eigentlich kommt man als Mensch ja selten so weit nach Norden. Dort gibt es eigentlich nur die unzähligen Erzminen des Zwergenkönigs. Für mich als Händler gibt es dort oben recht wenig zu verdienen. Aber eine Lieferung führte mich eines Tages nach Kaz’Adum der Hauptstadt des Zwergenreiches. Dort warb mich dann ein Zwerg an. Ich sollte mit meinen Tieren Werkzeuge und wichtige Nachrichten nach Norden bringen. Ihm selbst fehlte es an Lasttieren um den Auftrag auszuführen. Warum es selbst in der Hauptstadt derzeit einen Mangel an Lasttieren gab, erzählte er mir freilich nicht.“ Der Händler nahm einen Schluck aus seiner Lederflasche und blickte in die Runde. „Ja, damals hatte ich noch eine weitaus beachtlicherer Anzahl an Knogs, aber die Vier da hinten,“ er wies zur Tränke “sind alles was übrig ist.“ Ulf Schmetterstein, der Zwerg, grollte bei diesen Worten. „Willst du etwa behaupten, ein Zwerg hätte dich betrogen?“ Der Händler schüttelte schnell den Kopf. „Nein, nein. Es ist ja allgemein bekannt, dass Zwerge ehrenhafte Händler sind. Es war wohl der Wille der Götter, oder wie die Zwerge sagen, ein Wink der Ahnen.“ Er schwieg einen Moment und blickte ins Feuer. „Nun ja. Ich zog also nach Norden. Mein Ziel war die nördlichste Stadt des Zwergenreiches. Horaz’ak, die Stadt am großen Rand. Sie liegt auf einem Berg direkt am Rande des Kontinents. Dort beginnt das endlose nördliche Wolkenmeer. Aber trotz dieser Lage haben die Zwerge dort keinen Hafen errichtet.“ Ulf schnaubte. „Natürlich nicht, kein Zwerg würde sich je auf eines der Wolkenschiffe wagen. Wir sind der Erde verbunden und werden nie über die Wolkenmeere segeln.“ Der Händler nickte. „Ja das ist wahr. Aber als Handelsplatz für fremde Schiffe wäre es sicher recht nützlich. Wie auch immer, die Zwerge haben auf jeden Fall dort keinen Hafen. Nun, doch bis nach Horaz’ak ist es ein weiter Weg durch das Grauzahn Gebirge. Die Regionen um die Hauptstadt haben zwar breite in den Fels gehauene Straßen, eine Meisterleistung der Baukunst wie ich bemerken muss, aber je weiter man nach Norden wandern, desto schmaler und schlechter werden die Straßen. Die Straßen werden zu engen Pfaden die an den Hängen der Berge entlang laufen. Sie sind teilweise so eng, daßss selbst die Knogs Angst bekommen, zu stürzen. Euch ist sicherlich allen bekannt, wie selbstsicher Knogs selbst in unwegsamen Gegenden sind, aber hier hatten selbst sie Angst zu stürzen.“ Er schnaufte tief und aß noch ein Stück Brot. Dann blickte er in die Runde um sich zu vergewissern, dass auch alle wirklich zuhörten. „Die schmalen Pfade waren natürlich nicht die einzigen Gefahren. Nach einer Rast in Arath einer größeren Stadt, zogen wir durch die Trolltäler des Nordens. Zweimal trafen wir auf eine Gruppe der legendären Trollslayer. Die Zwergenkrieger die sich der Jagt nach den Trollen verschrieben haben. Ich weiß nicht viel über sie, denn sie redeten mit uns nur das Nötigste. Sie berichteten uns von Aktivitäten der Trolle, aber sonst sprachen sie kaum ein Wort. Aber ich kann Euch sagen, ihr Anblick war wirklich furchterregend. Sie schienen bis an die Zähne bewaffnet, trugen große, reich verzierte Kampfäxte und Hämmer und jeder der Trollslayer hatte unzählige Trollohren am Gürtel. Ulf, könnt Ihr nicht etwas zu diesen Helden Eures Volkes sagen?“ fragte der Händler plötzlich. Ulf zuckte zusammen, nach einer Pause sagte er: „Es ist mir verboten über die Trollslayer zu sprechen, aber eins lasst Euch gesagt sein, obwohl sie viel für die Sicherheit der Zwerge tun, sind sie bei uns keine Helden!“ Kurz entstand eine peinliche Stille. Niemand wusste so genau, was der Zwerg damit gemeint hatte. Schließlich räusperte sich der Händler. „Nun wie ich schon sagte, sie sahen wirklich furchterregend aus. Aber so viele Trollohren sie auch an ihren Gürteln hatten, wir wurden einen Tag später trotzdem von einer Gruppe Trolle angegriffen. Ich sah diese garstigen Wesen zum ersten Mal, aber ich habe schon viele Geschichten über sie gehört. Doch als ich zum ersten Mal dieses Knurren hörte, wusste ich, keine Erzählung hatte mich darauf vorbereiten können. Trolle sind tatsächlich, wie es die Geschichten erzählen, über zwei Meter groß. Sie haben lange Arme die ihnen fast bis zu den Knien reichen. Diese Arme sind ihre Waffe. Die Hände haben vier dicke knochige Finger die mit großen Krallen besetzt sind. Ein Hieb mit diesen Kralle trennte meinem Leittier glatt den Kopf ab, es war schrecklich. Aber wir waren genügend Leute um diese vier Trolle zu besiegen. Einer meiner Begleiter verstand sich recht gut auf seine Armbrust und dies wurden den Trollen zum Verhängnis.“ Ein anderer Händler, genauso fasziniert von der Geschichte wie die restlichen Zuhörer fragte: „Wie sahen die Trolle denn genau aus? Ihr habt Euch recht knapp gefasst. Mir ist so eine Kreatur noch nie begegnet, aber man sollte ja schon wissen was man gegenüber steht.“ Der Erzähler lächelte. „Oh glaubt mir, Ihr würdet gerne darauf verzichten. In der Aufregung habe ich natürlich nicht so sehr auf Einzelheiten geachtet, aber sie haben recht platte Gesichter, völlig grüne Augen mit schwarzen Pupillen. Überall auf ihrem Körper wachsen Dornen aus Horn. Zumindest glaube ich, dass es Horn war. Nun sie haben auch ein Fell, zumindest die Meisten. In verschiedenen Farben versteht sich. Ich glaube es gibt verschiedene Stämme und ihr Fell ähnelt den Steinen in ihrer Umgebung.“ Er machte eine kurze Pause. „Aber laßt mich weiter erzählen. Ich möchte mich nicht zu sehr an die Trolle erinnern. Doch eines möchte ich Euch noch sagen!“ Wieder machte er eine kurze Pause um seine Worte richtig zur Geltung zu bringen. „Trolle sind keine dummen Wesen. Oh nein! Die Geschichten über den dümmlichen Troll sind eine Erfindung. Diese Wesen griffen uns sehr hinterlistig an und zogen sich zurück als wir die Oberhand gewannen. Unterschätzt sie bloß nicht!“ Ein überraschtes Raunen ging durch die Gruppe der Händler und auch die bewaffneten Begleiter der Karawane horchten auf. Pjotr nickte. „Ich habe davon gehört, aber erst jetzt nachdem ich einen zweiten Bericht gehört habe, glaube ich es. Das sollten wir uns merken, wenn wir wieder einmal nach Norden reisen,“ sagte er in die Runde. Die Anderen nickten zustimmend. „Aber erzähl weiter,“ sagte Pjotr dann zu dem Händler. Dieser nickte und holte wieder Luft. „Aber ja. Nun, wir hatten nach diesem Kampf mit den Trollen keine Probleme mehr auf dem Weg nach Horaz’ak. Aber der Angriff hatte zwei meiner Leute verletzt und wie schon gesagt war mein Leittier getötet worden. Nun .. hm ja genau. Im Grunde kann ich die restliche Reise überspringen. Es gab nichts interessantes dort oben. Viel Schnee eben und ein Gebirgspaß reiht sich an den anderen. Vermutlich würde dort oben niemand leben, gäbe es dort nicht so viel Erzadern. Habe ich recht Ulf?“ Der Zwerg nickte nur. „Gut. wir erreichten also Horaz’ak. Es liegt wie schon erwähnt auf einem kleinen Berg. Nach Norden hin fällt der Berg steil ab und nach einer kleinen Ebene endet dort der Kontinent. Auch nach Westen und Osten sind die Berghänge recht steil, wenn auch nicht unerklimmbar. Aber die einzige Straße führt durch eine tiefe Schlucht von Süden her in die Stadt. Um so weiter man den Berg erklimmt um so schmaler wird die Schlucht und die Wände der Schlucht werden niedriger. Ein kleiner Bergbach fließt durch die Schlucht und das Plätschern hallt dort als ob man einen Wasserfall vor sich hätte. Oh und die Schlucht ist gut geschützt. Ich glaubte damals, nie könnte diese Stadt überhaupt direkt angegriffen werden. An den Rändern der Schlucht ziehen sich unzählige Türme entlang und dicke Wälle versperren immer wieder den Weg. Ich glaube es waren drei große Wälle die den Weg in der Schlucht absperren und zwei kleine Sperren am Eingang. Eine richtige Festung kann man sagen. Als wir endlich die Schlucht hinter uns gelassen hatten, erreichten wir die dicken Stadtmauern. Sie waren sehr hoch für so eine kleine Stadt, denn hinter den Mauern erstreckte sich mehr ein großes Dorf als eine richtige Stadt. Der Marktplatz ist wohl noch kleiner als der von Makave, aber das machte es mir natürlich um so leichter den Empfänger meiner Lieferung zu finden. Der Mann hieß Eisenfest. Er nahm meine Waren ab und bezahlte mich der Vereinbarung entsprechend. Das verlorene Lasttier wurden mir allerdings nicht ersetzt. Nun ja, das ist eben unser Risiko.“ Einige andere Händler nickten mit leidvollen Blick. „Ich entschloss mich eine Weile zu bleiben und zu versuchen eine Waffen aus den Schmieden zu kaufen. Es dauerte einige Zeit, bevor mir ein Schmied einige Äxte anbot. Aber sie waren alle für Zwerge geschmiedet und meine nächste Reise sollte wieder in den Süden gehen. Nach einiger Zeit habe ich ihn überreden können mir einige Schwerter für menschliche Größe zu schmieden. Mein Riecher war gut, es zahlte sich aus, denn die Ware war qualitativ hochwertig und doch weit unter dem Preis den man sonst bezahlte. Ein wirklich gutes Geschäft wenn Ihr mich fragt. Es dauerte natürlich einige Zeit bis der Schmied alle Schwerter fertig hatte und so blieb ich in Horaz’ak. Ich hätte lieber gleich wieder abreisen sollen, glaube ich.“ Seyan legte neues Holz nach und das Feuer loderte wieder auf. „Es war am zweiten Tag nach meiner Ankunft. Eine Gruppe von Bergleuten kam in die Stadt und es brach helle Aufregung aus. Es dauerte einige Zeit, bis ich erfuhr was los war. Ein großer Clan Trolle hatte drei Bergwerke überfallen und die angegliederten Dörfer fast restlos verwüstet. Schnell war klar, die Trolle zogen in Richtung Horaz’ak um es anzugreifen. Von so etwas hatte ich noch nie gehört. Trolle die organisiert angreifen oder gar in Clans zusammen leben, aber man versicherte mir es seien keine Gerüchte. Der nächste Tag spülte unzählige Flüchtlinge aus der Umgebung in die Stadt. Am Abend schien die Stadt fast aus allen Nähten zu platzen und noch immer trafen Flüchtlinge ein. Meist Frauen und Kinder, aber auch einige Verletzte mit grausigen Wunden.“ Er schnaufte und blickte kurz ins Leere. „In der Nacht griffen sie an. Es war wirklich unheimlich kann ich Euch sagen. Wusstet Ihr, dass Trolle einen Kriegsschrei haben? Ein tiefer grollender Ton erklang von allen Seiten vom Fuß des Berges. Nach und nach rückte sie näher, aber niemand sah sie. Ihr Fell machte sie in der Nacht zwischen den Steinen unsichtbar und die Schützen in den Türmen fanden keine Ziele. Es dauerte nicht lange bis die ersten Trolle versuchten durch die Schlucht zu kommen. Ich war auf einen der Türme westlich des Stadttores gestiegen und meine Freunde, ich glaube das war eine Fügung der Götter. Nie hätte ich für möglich gehalten was ich dort unten sah.“ Der Erzähler schüttelte fassungslos den Kopf, als ob er immer noch auf dem Turm stehen würde. „Die Schlucht vor dem ersten Wall schien gefüllt mit Trollen. Sie brandeten gegen die erste Verteidigungsanlage und rissen sie innerhalb kurzer Zeit nieder. Lange Zeit sah ich zwei der Wachen in Getümmel kämpfen. Wie in Raserei bahnten sich diese zwei Zwerge mit ihren Streitäxten den Weg durch die Massen des Feindes. Doch nach und nach wurden sie übermannt. Bereits bei diesem Anblick zitterte ich am ganzen Leib und meine Freunde ich halte mich für einen recht hart gesottenen Menschen. Als ob dieser Angriff, der gerade durch die Schlucht brandete, nicht schon genug gewesen wäre, wurde die Stadt plötzlich selbst angegriffen. Die Schlucht war lediglich eine Ablenkung gewesen, wie wir schnell feststellten. Eine etwa gleich starke Gruppe von Trollen griff nun von Süden an. Die Schützen in den Türmen hatten die ganze Zeit damit gerechnet, aber nie Feinde ausmachen können. Das Fell hatte die Trolle wohl ausgesprochen gut getarnt. Nun waren sie unterhalb der Stadtmauer und begannen diese zu erklimmen. Das ist noch etwas, wovon ich zuvor nie etwas gehört hatte. Mit ihren langen Armen und den Krallen sind Trolle unglaublich gute Kletterer und glaubt mir meine Freunde, sie setzten dieses Talent geschickt ein.“ Ein erstauntes Raunen ging erneut durch die Reihen der Zuhörer und der Erzähler nickte mit dem Kopf um seinen Bericht noch zu unterstreichen. „Ja, sie erklommen unglaublich schnell die Stadtmauern. Die Schützen vermochten zwar viele herunter zu schießen, aber als die ersten Trolle oben angekommen waren, brach das Chaos aus. Die wenigen Nahkämpfer auf dem Mauern stürzten sich voller Zorn in den Kampf. Noch nie zuvor habe ich Zwerge mit solcher Wut kämpfen sehen, außer vielleicht heute Nachmittag unseren Freund hier.“ Er wies auf den Zwergen der Gruppe, welcher darauf etwas bekümmert zu Boden blickte. „Also wie gesagt, ich beobachtete den Kampf von einem der Türme. Von dort konnte ich sehen wie die Horde Trolle in der Schlucht mehr und mehr zurückgedrängt wurden. Unter dem Feuer der Armbrustschützen auf den Wällen in der Schlucht fielen unzählige Trolle und dezimierten sie so stark, dass sie bald flohen. Aber inzwischen waren etwa hundert Trolle auf den Mauern der Stadt. Einige waren inzwischen sogar herab gestiegen und stifteten in den engen Gassen der Stadt Chaos. Die Flüchtlinge wurden hin und her getrieben, immer auf der Flucht vor vereinzelten Trollen.“ Der Händler atmete tief ein und seufzte. „Ich sprach vorhin von einer Fügung der Götter, dass ich auf den Turm gestiegen war. Leider schloss diese Fügung meine Tiere nicht mit ein. Eine kleine Gruppe von Trollen hatte sich bis auf den Markplatz durchgekämpft und dort stand auch meine Gruppe von Knogs. Die Trolle rissen zehn meiner Tiere, bevor sie von Wachen abgelenkt wurden und diese angriffen. Die Kämpfe dauerten noch bis in das Morgengrauen und erst als die Sonne völlig aufgegangen war, hatten die Stadtwachen den letzten Troll erlegt. Die Stadt selbst sah schrecklich aus. In der Nacht waren Brände ausgebrochen, als flüchtende Bewohner Kerzen und Lampen umgeworfen hatten. In den engen Gassen lagen überall die Leichen von Trollen und Wachen. Auch viele Flüchtlinge hatten den Angriff nicht überlebt, als die Trolle in die Stadt eingedrungen waren. Ich selbst habe nicht einen Troll aus der Nähe gesehen und schreibe das den Göttern bei. Das Glück war mir wirklich hold in dieser Nacht, wenn ich bei meinen Tieren am Markplatz geblieben wäre. Nun ich möchte nicht einmal daran denken.“ Seyan legte in diesem Augenblick erneut Holz nach und das Feuer loderte wieder auf. „Nun, ich bin nach dieser schrecklichen Nacht mit meinen verbliebenen Tieren sofort wieder abgereist. Mit der Bezahlung und den neuen Waren habe ich meine Verluste nicht annähernd ausgleichen können. Aber nach einigen weiteren Lieferungen weiter im Süden habe ich jetzt wieder genügend verdient um mir Tiere zu kaufen. Deswegen will ich auch nach Friayport. Dort soll es besonders ausdauernde Tiere geben, hat man mir gesagt.“ Er blickte in die Runde. „So das war meine Geschichte, ich denke Ihr wisst nun, was Euch im Norden erwarten kann.“

Nach dieser Geschichte schien niemand mehr bereit zu sein eine weitere Erzählung zu beginnen. Zu spät war die Nacht fortgeschritten und alle waren von der langen Reise ermüdet. Es dauerte nicht lange, da hatten sich alle verabschiedet und in die kleinen Hütten zurückgezogen. Im Grunde hatte jeder irgendwie mit einem nächtlichen Angriff gerechnet und nicht wenige der Reisenden wurden in ihren Träumen von großen Trollhorden verfolgt. Doch die Nacht blieb ruhig und nur eine einsame Eule war ab und an zu hören. Am nächsten Morgen machten sich alle geschäftig daran aufzubrechen. Während die Lasttiere noch einmal alle getränkt wurden, füllten Seyan und Gavin das Holzlager wieder auf. Zum Glück gab es neben den Tor des Rastplatzes einige umgestürzte Bäume und so hatten sie es leicht ein wenig Holz zu schlagen. Sogar Äxte standen in einer Hütte bereit und so war das Holzlager schnell wieder aufgefüllt. Pjotr überwachte indes die Vorbereitungen der Händler und machte sich Gedanken über den weiteren Weg. Sie hatten noch eine anständige Strecke vor sich und Pjotr wollte Friayport noch vor Sonnenuntergang in Sichtweite haben. Als die Sonnenstrahlen langsam wärmer wurden, setzte sich die Karawane wieder in Bewegung. Zuerst erklommen sie wieder den Weg aus der Senke heraus, um dann in Richtung Westen zu schwenken. Langsam suchte sich die Karawane ihren Weg durch eine hügelige Graslandschaft, welche nun die dichten Wälder abgelösten. Gegen Mittag legten sie eine kurze Rast ein. Pjotr und Gavin saßen in der Pause zusammen und teilten sich den letzen Proviant. „Was wirst du machen, wenn wir in Friayport sind?“ fragte Pjotr nach einer Zeit. Gavin zuckte darauf nur die Achsel und biss in ein Stück Brot. Pjotr blickte überrascht auf seinen Kameraden. „Hast du nichts geplant wenn du dort bist?“ Gavin schüttelte den Kopf. „Ich ziehe schon seit einigen Monaten so umher, verdiene mir ab und an Geld und sehe dabei die Welt. Einen Plan habe ich nicht,“ antwortete er. „Hm du hast mir noch nicht viel von dir erzählt, Gavin. Woher kommst du?“ fragte Pjotr dann. Gavin stand auf und blickte in die Ferne, dann straffte er sich. „Ich glaube wir sollten weiterziehen. Meine Geschichte kann ich dir auf dem Weg erzählen, Pjotr.“ Pjotr lächelte. „Eine gute Idee. Eine gute Geschichte verkürzt den Weg mit Sicherheit um einiges.“ Gavin zuckte erneut die Achseln und packte seinen Beutel. „Nun ob sie gut ist oder unterhaltend, dass solltest du danach beurteilen.“ Kurze Zeit später zog die Karawane weiter Richtung Friayport. Die Sonne stand nun hoch am Himmel und brannte geradezu herab. Zu allem Unglück durchquerten sie eine schattenlose Gegend in der als höchstes Gewächs kleine Büsche standen. Nach einiger Zeit begann Gavin dann seine Geschichte zu erzählen.

„Hm ich weiß nicht recht wo ich anfangen soll. Ja nun ich bin im Süden geboren. Meine Geburtsstadt hieß Galan. Die kleine Stadt, nun sagen wir, es war eher ein großes Dorf wurde von meinem Großvater verwaltet. Unsere Familie wurde durch die Taten meines Großvaters in den niederen Adel erhoben und so waren wir Lehen des Herzogtums von Kesk. Nun ja um es kurz zu machen, meine Mutter verliebte sich in einen der gemeinen Kämpfer des Dorfes. Der Mann, sein Name war Matjuma Syker, war kurze Zeit vorher aus den südlichen Hügelland gekommen und war in den Dienst der Darklighter getreten. Mein Großvater hatte natürlich nichts übrig für den Wunsch meiner Mutter, den gemeinen Burschen zu heiraten und so die gerade erworbenen Adelsrechte wieder zu verlieren. Aber meine Eltern widersetzten sich und flohen. Auf meinen Vater wurde ein Kopfgeld ausgesetzt und so trennten sich meine Eltern. Meine Mutter sagte, er wollte sie nicht in Gefahr bringen, vor allem nachdem sie ihm gestanden hatte das sie schwanger sei. Hm ja, von meinem Vater habe ich nie mehr etwas gehört. Ich befürchte der Kopfgeldjäger hat seinen Auftrag erfüllt.“ Gavin schwieg einen Augenblick und beobachtete einen Vogelschwarm am Himmel. „Nun ja, also wuchs ich bei meiner Mutter auf und nahm auch ihren Nachnamen an. Wir lebten in einem kleinen Dorf an der nördlichen Grenze des Herzogtums von Kesk. Mit den Jahren hat eine Mutter dort einen kleinen Bauernhof aufbauen können, aber es war nie genug um richtig über den Winter zu kommen. Vor sechs Monaten ist meine Mutter dann gestorben. Der Heiler im Dorf konnte nichts für sie tun.“ Wieder unterbrach er seine Erzählung und schwieg eine Weile. Pjotr ging schweigend neben seinem neuen Kameraden her und wartete ab. Nach einiger Zeit setzte Gavin seine Geschichte fort. „Ich hab es dann dort nach einer Woche einfach nicht mehr ausgehalten. Ich habe den kleinen Hof an einen guten Freund verkauft und bin einfach nach Norden gezogen. Nun ich will dich nicht mit Details langweilen. Gegen diese Reise war sie wirklich ereignislos, aber als ich in nach einigen Monaten Wanderschaft durch ein kleines Dorf kam, hörte ich einige Händler über Galan sprechen. Ich kam mit ihnen ins Gespräch und erfuhr so von schrecklichen Ereignissen. Das Dorf Galan, in dem alle meine mir bekannten Verwandten lebten, war bei einem Überfall einer Horde Wegelagerer vernichtet worden. Ganz Galan soll gebrandschatzt worden sein und es wurden keinerlei Überlebenden gefunden.“ Pjotr blickte betroffen auf Gavin. „Also seit ihr der letzte Darklighter?“ fragte er. Gavin nickte. „Nun so kann man es sagen. Ich weiß allerdings nicht ob doch jemand überlebt hat. Die Götter werden es wissen.“ Lange Zeit wanderten die Zwei schweigend nebeneinander und auch als langsam Abend wurden, sprachen sie kein Wort. Gavin machte sich in dieser Zeit seine eigenen Gedanken. Im Grunde wusste er nicht wohin, tatsächlich hatte er, wie Pjotr gesagt hatte kein Ziel vor Augen. Aber ihm wollte auch kein rechtes Ziel einfallen. Sollte er weiter so umherziehen? Oder sollte er in sein Dorf zurückkehren und von Neuem beginnen? Gavin kam zu keinem Ergebnis, doch die Gedanken ließen ihn nicht mehr los.

Als die Sonne vollständig untergegangen war und die Luft kühler wurde, erblickten sie schließlich in der Ferne die ersten Lichter der großen Stadt Friayport. Pjotr deutete in die Richtung der Lichter. „Seht! Nicht mehr lange und wir haben unser Ziel erreicht!“

2. Herzog, Magier und der Bote

Schon von weitem ragten die Mauern der Stadt hoch in den Himmel. Friayport war wirklich die mächtigste Stadt und Festung des gesamten Westens. Die hohen Tore aus schwerem Eichenbalken, gestärkt durch die Schmiedekunst der Zwerge, wurden eigentlich nur zu Prunkzügen ihres Herzogs geöffnet. Normale Reisende, Händler und ihre Tiere gelangten durch kleine Tore neben den Haupttoren hinein. Diese waren weitaus leichter zu schließen, sollte es zu einem Angriff kommen. Außerdem hatten es die Stadtwachen so einfacher die Maut zu kassieren, denn Einlass nach Friayport erhielten nur Reisende, welche über Bares verfügten. Der Einlass wurde meist mit einem Silberdob berechnet, aber um den schlechten Sold etwas aufzubessern schlugen die Wachen schon ab und an einen Kupferdob hinzu. Die Händler waren das gewöhnt und auch Pjotr kannte diese Praxis zur Genüge. Die Karawane erhielt bevorzugt Einlass, da sie unter anderem auch eine wichtige Lieferung für den Hof des Herzogs bei sich hatten. Hinzu kam noch der Bericht über die Ereignisse in der Ruinenstadt.

Gavin durchschritt das kleine Tor und tauchte in die Stadt ein. Er hatte sich von der Karawane getrennt die sich bereits verstreute. Mit seinem neuen Kameraden Pjotr hatte er sich am nächsten Mittag in einem Gasthaus verabredet. Dort wollten sie besprechen ob man nicht noch eine weitere Reise zusammen unternehmen könne. Vor allem die Bezahlung für Schutz in den Norden würde in Kürze enorm ansteigen, sollte erst einmal die Nachricht von Seyan bekannt werden. Seyan und Pjotr waren im Gegensatz zu Gavin zum Herzog geeilt um die schlechte Nachrichten zu überbringen. Nach einigen Schritte hatte Gavin schließlich die Festungsanlagen der Mauer und ihre Anbauten völlig verlassen und wanderte die Hauptstraße entlang. Trotz der späten Stunde gab es noch viele geöffnete Stände am Straßenrand. Eine alte Frau bot gebratenes Knogsfleisch an. Der Duft deute allerdings auf weniger edles Getier hin und so schob Gavin seinen Hunger beiseite. Ein junger Bursche lief durch die Menge und verkaufte aus einer kleinen Bauchtasche geröstete Feioskerne. Die kleinen ovalen Kerne waren eine Delikatesse der einfachen Bauern. Röstete man sie in einer Pfanne, sprangen sie auf und brutzelten im eigenen süßen Saft bis sie goldbraun waren. Davon kaufte Gavin eine Hand voll und stillte seinen Hunger. Ganz Friayport schien zu vibrieren und zu summen. Es dauert auch nicht lange, da bot sich ihm schon das erste leichte Mädchen an und er musste dankend ablehnen. Besser gesagt er musste sie abwehren um nicht von ihr in eine Seitengasse gezerrt zu werden. Auch nachdem er einige Zeit geschlendert war, wusste er nicht was er mit dem angefangen Abend tun sollte. Irgendwann, als schon beide Monde hoch am Himmel standen, entschloss er sich einen Blick in den Hafen der Stadt zu werfen. Es gab so viele Geschichten über das Wolkenmeer, welches die Kontinente umschloss, aber Gavin hatte es noch nie mit eigenen Augen gesehen. Um so mehr er sich dem Hafenviertel näherte, desto nebeliger wurde es. Die Gestalten auf den Gassen waren nur mehr Schemen im Nebel. Doch Gavin ging weiter und hielt auf den großen Leuchtturm von Friayport zu. Dort oben im Turm brannte angeblich ein magisches Feuer, welche es den Schiffen erlaubte ihren Weg zu diesem Hafen zu finden. Schon aus einiger Entfernung hörte er das Pfeifen und Rauschen des Wolkenmeeres, doch sehen konnte er nichts. Zu viel Nebel versperrte ihm die Sicht. So stand er zuerst im Nebel und Blickte in die dustere Suppe, enttäuscht nichts zu sehen. Doch dann fiel sein Blick wieder auf den Leuchtturm und er begutachtete ihn genauer. Der Turm hatte eine wirklich eigentümliche Bauweise und schien nicht von Menschenhand gemacht. Viel zu Filigran war die Bauweise und auch die Verzierungen deutete auf einen anderen Baumeister hin. Gavin vermutete, dass hier ein Elf seine Finger im Spiel gehabt hatte. Im Mondlicht schimmerte der ganze Turm in hellem Weiß und schien aus sich selbst zu leuchten. Eine Treppe schlang sich um den schmalen Turm herum und schien nach oben zu führen. Das unheimliche magische Feuer des Leuchtturmes schien die Treppe zu einer Schlange werden zu lassen, welche sich im Gleichklang mit unzähligen Runen auf der Mauer des Turmes zu wiegen schien. In einem spontanen Entschluss hielt Gavin auf den Turm zu und suchte nach dem Beginn der Treppe. Zuerst wurde er nicht fündig, doch dann, als er den Turm fast umrundet hatte, fand er sie. Auf der ersten Stufe der weißen Treppe kauerte ein alter Mann in blauer Robe. Als Gavin näher kam, hob er den Kopf. Ein schimmern schien von seinen Augen auszugehen, als er Gavin musterte. „Was wollt ihr?“ fragte er mit etwas gebrechlicher, doch eindringlicher Stimme. Gavin zögerte einen Augenblick bevor er antwortete. Der alte Mann schien ihm nicht Geheuer. Bei näherer Betrachtung erblickte er außerdem eine goldene Rune auf der Stirn des Mannes. Dies kennzeichnete ihn, laut vieler Geschichten die Gavin gehört hatte, als Mitglied einer Magiergilde. „Ich möchte auf den Turm um einen Blick auf das Wolkenmeer zu werfen,“ sagte er schließlich. „Oooh, ein Reisender also,“ kichert der alte Mann. „Nun ich kann Euch Zutritt gewähren. Aber geht nicht auf die Plattform in der Spitze des Turmes. Es würde Euch das Leben kosten, noch bevor ihr bis drei gezählt hättet.“ Der alte Mann kicherte wieder. „Seit ihr hier der Turmwart?“ fragte Gavin. Wieder ein Kichern. „Oh, so hat man mich noch nie betitelt. Aber in gewisser Weise mögt ihr recht haben. Geht nun und schaut Euch das Wolkenmeer an.“ Gavin betrat nach einigen Zögern die Treppe und stieg empor. Schnell verschwand der alte Mann im Nebel unter ihm, doch sein Kichern folgte ihm. Immer wenn er an einer der Runen, welche in die Wand eingelassen waren, vorbei schritt, leuchteten diese matt auf. Innerlich fröstelte er bei diesem Anblick, doch sein Wunsch das Wolkenmeer zu sehen war stärker. Als er die Hälfte des Turmes empor gestiegen war, durchstieß er den Nebel und der Himmel wurde klar. In der schwarzen Nacht funkelten die Sterne hell und selbst das Licht der zwei Monde konnte sie nicht überdecken. Gavin sog die weniger dicke Luft ein und atmete dann wieder aus. Hier oben war es wesentlich kühler und kurz bildete sich eine kleine Wolke vor Gavins Mund. Dann fiel sein Blick endlich auf das Wolkenmeer. Es war wirklich so wie man es ihm berichtet hatte. Doch nur mit den eigenen Augen konnte man die ganze Schönheit des Meeres erfassen. Die Erzählungen waren immer wie gemalte Bilder gewesen, nun aber bewegte sich das Wolkenmeer, wogte hin und her. Unter ihm schien sich ein unendliches Meer aus Milch auszubreiten. Türmte sich hier und da zu turmhohen Bergen auf und bewegte sich im Wind. Nun da Gavin das Wolkenmeer vor sich hatte, kamen ihm wieder die vielen Erzählungen in den Sinn. Einer der alten Männer in seinem Dorf hatte oft von dem Meer gesprochen. Irgendwo in Gavins Kopf hörte er die Stimme des alten Mannes.

„Ach meine Kinder. Wenn ihr eines Tages die Gelegenheit habt die Küste zu besuchen, seht euch das Wolkenmeer an. Ja, eigentlich sind es ja nur Wolken, genauso wie die über uns. Aber sie von oben zu sehen ist einfach unglaublich. Sie bewegen sich im Wind, der um die Küste peitscht und nirgends gibt es ein Ende. Nicht nach oben, nicht nach unten. Nur weiße Wolken, falls es nicht gerade regnet. Das Licht der Sonne spiegelt sich in den Wolken und scheint sich darin zu verlieren. Ein wunderschöner Anblick. Einmal hab ich es gesehen meine Kinder. Aber das ist viele Jahre her. Ach ja. Oh natürlich werden ihr jetzt vieles zu fragen haben. Ja es gab Männer, die behaupteten irgendwo unter den Wolken sei Land. Nun, sie wurden nie mehr sehen, als sie den Beweis antreten wollten. Also seit gewarnt meine Kinder. Wer ins Wolkenmeer geht, kehrt nie zurück!“

Die Stimme verblasste und machten Platz für Fragen die nicht nur die Kinder stellten. Auch die Gelehrten aller Rassen grübelten über dieses Rätsel.

„Warum gibt es ein Wolkenmeer?“ „Wie kann ein Kontinent schweben und ich nicht?“ „Wohin falle ich, wenn ich ins Wolkenmeer springe?“

Gavin verbannte die Stimmen aus seinem Kopf und blickte weiter auf das Wolkenmeer. Es war unbeschreiblich schön und das Licht der Monde tat ihr übriges.